Mit dem Fahrstuhl gelangen wir in eine der oberen Etagen des Hochzeitshauses. Ich muss mit dem Kimono also nicht Treppensteigen. Das ist wirklich gut so.
Durch eine doppelflüglige Tür treten wir in einen großen Raum, der auf den ersten Blick sehr unjapanisch wirkt und mich an eine christliche Kapelle erinnert. Die beidseitig angeordneten und gepolsterten Bankreihen sind zum Gang hin mit langstieligen Rosen geschmückt. Durch hohe, gotisch anmutende Fenster dringt diffuses Licht. Der Raum wirkt im Zusammenspiel zwischen Naturholz und Licht ganz besonders warm.
Ich bin unsicher, wo unser Platz während der Zeremonie sein wird. Also versuche ich es erst einmal ziemlich weit hinten. Falsch. Wir werden freundlich gebeten, weiter vorne Platz zu nehmen.
Drei Treppenstufen aus Marmor führen zu einer Art Bühne, auf der gleich die Trauung stattfinden wird. Auf der rechten Seite sitzt eine Frau vor einem kleinen weißen Piano. Neben ihr wartet eine Geigenspielerin auf ihren Einsatz. Links sehe ich auf einem Stehpult eine Schale und einen weißen Federkiel liegen. Während ich den Raum bewundere, werden auf Japanisch vermutlich Regieanweisungen gegeben. Eine mit Headset ausgerüstete Dame wird in den kommenden Minuten quasi durchs „Programm“ führen. Schon jetzt habe ich den Eindruck, dass hier nichts dem Zufall überlassen wird.
Es wird ruhig im Saal. Jeder hat seinen Platz gefunden. Die Eingangstür ist geschlossen. Ich bekomme feuchte Hände vor Aufregung. Nach einem kleinen Musikstückchen öffnet sich die Pforte. Der Bräutigam tritt ein. Sehr gesetzten und wohl geübten Schrittes macht er sich alleine auf den Weg nach vorne. Die Kleidung ist traditionell, was mich sehr freut. Er trägt eine grau-schwarz gestreifte, sehr weite Männerhose (Hakama) und eine große schwarze Kimono-Überjacke (Haori). In seinem hellen Obi steckt ein Fächer. Kordenschnur dient dem Zusammenhalt des Haori, verziert mit einem Bommel. Schick.
Als der Bräutigam die Bühne erreicht hat, öffnet sich die Tür erneut. Die strahlende Braut wird von ihrem sichtlich stolzen Vater hereingeführt. Was für ein unglaublich bewegender Moment. Unsere wunderschöne Gasttochter trägt einen atemberaubenden weißen Hochzeitskimono (Shiromuku) aus Seidenbrokat und auf dem Kopf eine blütenweiße Brautkappe (Tsunokakushi). Diese Haube, das wissen wir von unserer letzten Reise nach Japan, soll die Hörner der Eifersucht und des Egoismus verdecken. Nun ja. Ich bin sprachlos, was die Haarstylisten mit den Haaren der Braut gemacht haben, erfahre erst später, dass es eine Perücke ist.
Jetzt geht es ziemlich schnell. Zunächst zuppelt die Hochzeitszeremonienmeisterin noch ein wenig an den beiden jungen Menschen da vorne herum. Hier sitzt der Fächer nicht richtig, da ist das Mikrofon zu reichen. Beide lesen dann vermutlich eine Art Eheversprechen vor. Nun stecken sie sich gegenseitig Ringe an die Finger, die Braut bekommt einen Kuss auf die Wange und zum Schluss unterschreiben mit der bereit stehenden Feder ihre Eheurkunde. Die wird den Gästen glücklich präsentiert. Ein Viertelstündchen ist um und beide sind vermählt.
Das frisch gebackene Ehepaar verlässt den Saal. Wir klatschen währenddessen. Wer am Rand der Bankreihe sitzt, kann aus Körben kleine Origami-Kraniche nehmen und die beiden damit bewerfen. Leider bin ich zu weit weg.
Bevor ich einen kurzen sentimentalen Anflug bekomme, werden alle Gäste gebeten, vorne auf die Bühne zu kommen. Ein Gruppenbild soll entstehen. Die drei Treppenstufen zur Bühne erweisen sich dabei natürlich als super hilfreich. Schon während der Trauung wurde viel fotografiert und gefilmt. Nun aber werden wir regelrecht in ein optimales Foto dirigiert. Von einem Mann auf einer hohen Leiter. Ich verstehe natürlich kein Wort und mache einfach nach, was rechts und links von mir getan wird. Hier noch ein wenig zusammen rücken, da noch am Sitz der Kleidung, der Schlipse oder der Handhaltung korrigiert bekommen. Ich muss meine kleine Tasche absetzen und werde gefragt, wo mein Fächer ist. Nun, ich habe irgendwie keinen. Nicht schlimm. Inzwischen ist auch das Brautpaar zurück und nimmt seinen Platz ein. Und dann heißt es kollektiv: „Bitte lächeln“!
Anschließend entstehen noch ein paar Fotos mit der engeren Familie. Wir sollen bleiben und gehören dazu. Das ist wirklich sehr, sehr schön und eine tolle Geste.
Wir verlassen den Raum und begeben uns zur Party. Sie findet praktischerweise im gleichen Haus statt. Auf dem Weg dorthin werde ich gefragt, ob es mir gut geht und ich mit dem Tragen des Kimonos zurecht komme. Ja, alles bestens.
Eigentlich sind die beiden schon vorher verheiratet gewesen, weil Zeremonien dieser Art in Japan keinerlei legale Gewichtigkeit haben. Daher koennen homosexuelle Paare auch z.B. in Disneyland heiraten, auch wenn unsere liebe Regierung immer wieder betont, dass eine Familie aus Papa Brotverdiener, Mama Hausfrau und Kindern besteht und Gesetze zur Anerkennung von homosexuellen Ehen noch Jahre dauern wird, wenn ich es denn in meinem Leben je erleben werde.
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Die Peruecken zu mieten ist uebrigens verdammt teuer. Eine Freundin haette fuer mich eine aus dem unteren Preisspektrum bestellt, aber die 50.000 Yen waren dann doch „budget over“.
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Ich möchte auch lieber nicht wissen, was das Leihen meines Kimonos gekostet hat. Vermutlich bekomme ich sonst im Nachhinein noch ein schlechtes Gewissen.
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Es kommt darauf an, ob der Kimono ganz geliehen oder z.B. Familienbesitz war. Ich habe noch keine Kurotomesode ausgeliehen, aber ich kenne Preise fuer Furisode. Die ATS hatte von meiner Freundin einen Sonderpreis bekommen und 26000 Yen gezahlt. Und die gehen so bei 4-5 Man Yen los.Die besseren kosten um die 10 Man.
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Wie geschrieben: Ich möchte es nicht wissen.
Das Töchterlein trug den (die?) Furisode der Familie. Mein schwarzer Kimono (siehe Teil 1) war geliehen.
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Omoshiroi!
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Hahaha. Das hat unsere Gasttochter auch immer gesagt, wenn sie Essen probiert hat, es aber nicht schmeckte. Bei „Omoshiroi“ (interessant) wussten wir, dass wir ihr das nicht wieder anbieten brauchen. 😉
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Tabemono ga hoshii desu ne?
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Jetzt bin ich raus. 😉
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Sollte ungefähr so viel heißen wie: Da bekommt man Hunger, gell?
Andererseits ist meine letzte Japanisch-Stunde gut 20 Jahre her, insofern können das auch ganz abstruse Silbenkombinationen gewesen sein… 😳
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Es ist eine wirklich rührende Beschreibung.
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Uebrigens muessten die beiden schon vorher verheiratet gewesen sein, weil hier Zeremonien dieser Art in Japan keinerlei legale Gewichtigkeit haben. Daher koennen Homosexuelle auch dort oder in Disneyland heiraten, obwohl unsere liebe Regierung immer noch nur Papa-Mama-Kinder Einheiten als Familie und somit eheberechtigt anerkennt.
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Wunderbar, liebe Britta, dass Du so ausführlich von der Trauung berichtest. Der Raum ist wundervoll, alleine schon die vielen, vielen Kerzen unten auf dem Gang! Und erst das Brautpaar Brautpaar!!!
Einen gemütlichen Sonntag und einen guten Start in die neue Woche wünschen
Josef und Ingrid
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Sehr interessant, das habe ich gern gelesen. Und für euch war es ein Erlebnis ganz besonderer Art. Danke fürs Mitnehmen!
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Danke für die ausführliche Beschreibung – es ist doch etwas Besonderes, diese Zeremonie aus erster Hand {eigentlich aus erstem Auge 😀 } geschildert zu bekommen!
Der Raum wirkt irgendwie wie ein Kompromiss zwischen östl. Tradition und europäischer Kapelle auf mich. Meine Frage: wieso müssen „die beiden schon vorher verheiratet gewesen sein, weil hier Zeremonien dieser Art in Japan keinerlei legale Gewichtigkeit haben“ –
danke, @Higanbana für diesen Hinweis,
das bedeutet dann wohl – sie haben vorher standesamtlich geheiratet ?
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Habe eine website zum Thema gefunden, bei der Hochzeiten in Tokio beschrieben werden. Vielleicht interessiert dich dieser link:
http://www.archimaera.de/2009/raubkopie/eheschliessung
LG die parkuhrhohe Charis 😀
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Danke für den tollen Bericht ….
Und bei dem Wort Omoshiroi muss ich leicht schmunzeln, ich erinnere mich. Bei uns heißt das: Das hat was 😉
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Ein interessanter Bericht.
und ihr gehört zum engeren der Familie…
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Wie schön, durch dich und deinen ausführlichen Bericht an einer japanischen Hochzeit teilnehmen zu dürfen. Für eine eine völlig fremde Welt. Der Raum ist wunderschön. Ich glaube gerne, dass du sehr ergriffen warst von dieser Zeremonie.
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Warum bist Du nicht im Dirndl oder einer Gurkentracht gekommen? In Japan lieben die doch die Trachten der Gäste.
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So etwas zu tragen, fiele mir hier schon nicht im Traum ein.
(Jetzt frage ich mich, was wohl eine Gurkentracht ist. Meinst Du die Tracht der Sorbinnen?)
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Sorbische Tracht… aber bei der japanischen Tracht hast Du keine Probleme?
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Nein, habe ich nicht. Ich trug übrigens in Sri Lanka auch schon mal einen Sari.
Aber ich ziehe keine deutsche Tracht an, um damit in Japan „ausfzutreten“, wenn diese Tracht nichts mit mir zu tun hat. Ich komme eben weder aus der Gurken- noch aus der Dirndlgegend.
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Also ich komme aus der bayerischen Lederhosen-Gegend. Aber bis jetzt bin ich weder auf das Münchner Oktoberfest noch zum Oktoberfest in Berlin z.B. Fischerhütte mit Tracht gegangen. Andere Nachbarn aus Chemnitz finden das toll und haben für diese Gelegenheiten schon mehrere Lederhosen, Kniebocker, Kurze usw. (lach).
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Da bin ich jetzt aber beruhigt. Einen Kormoran im Bayern-Look stelle ich mir komisch, ähm kormoranisch vor. 😉
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Was für ein tolles Erlebnis.
Grüßle Bellana
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Einfach schön…und sehr interessant.
Ein feines Erlebniss.♥
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Total interessant und berührend. Das ist ein tolles bestimmt auch einmaliges Erlebnis.
Lg Anett
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Spannend, was du da berichtest – und es kommt mir ein bisschen so vor, wie eine kirchliche Hochzeit bei uns! Die hat ja auch keinerlei Relevanz außerhalb der Kirche und das Paar muss zwingend vorher beim Standesamt gewesen sein, damit sie rechtmäßig getraut sind.
Auch das tolle Brautkleid (ääääh … Kimono) erinnert mich an den teils immensen Aufwand, den Bräute oft bei uns mit Brautkleid und Schleier usw. betreiben …
Wie man in Thailand sagt „Same same – but different“ 😉 Und ein Erlebnis war es auf jeden Fall!
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