06.11.1989
An der Demo, die damals noch Kundgebung hieß, nehmen der Herr Tonari und ich auch teil. Unsere beiden Kinder „verschenken“ wir aus Sicherheitsgründen für ein paar Stunden an eine Freundin.
Als wir um 10.00 Uhr auf dem Alexanderplatz ankommen, sind die ersten schon losgelaufen. Wir schließen uns dem Protestmarsch in Richtung Palast der Republik an. Vom Straßenrand wird fotografiert, auch von den Balkonen oder höher gelegenen Terrassen. Ganz sicher sind es nicht nur Fotojournalisten, die ihre Aufnahmen machen 😉 Die Transparente um uns herum sind wunderbar kreativ und vielfältig. Aufbruchstimmung herrscht. Wiedervereinigung fordert hier meines Wissens nach zu diesem Zeitpunkt noch niemand. Das kommt später.
„Dieser Demo bester Lohn – Stasi in die Produktion.“
„Bei uns im Spielplan: drehen und wenden, wenden und winden, rauswinden und einwickeln. ein Tanz windiger Typen“.
„Grüße an das Parlament: Habt ihr endlich ausgepennt?“
„Böcke auf dem Gärtnerposten werden uns die Zukunft kosten“
„Demokratie in ihrem Lauf hält weder Kurt noch Egon auf“
„Neue Männer braucht das Land, Greise in den Ruhestand“
„Kein Artenschutz für Wendehälse“
„Mode 89 – Wendejacken“
„Nehmt das Land aus Bonzenhand!“
„Mielke, Stoph und Hager – Wann gehen die Versager?“
Während Friedrich Schorlemmer, Lothar Bisky, Jan-Josef Liefers, Markus Wolf, Ulrich Mühe, Christa Wolf, Stefan Heym und viele andere von einer, auf einem LKW improvisierten „Bühne“ sprechen und wir fast 4 Stunden den Reden auf dem Alexanderplatz lauschen, klatschen, pfeifen, ausbuhen oder lachen, steht lange Zeit neben uns ein Mann, der uns irgendwie vertraut vorkommt. Doch woher nur? Erst zwei Tage später, am Montagabend gibt es einen Aha-Effekt: Jürgen Engert, den wir durch zahlreiche Kontraste-Sendungen schätzen gelernt hatten. Chance verpasst, ihm zu sagen, wie wichtig uns sein Politik-Magazin ist.
Wer die Reden dieses Tages noch einmal nachlesen möchte, dem sei die Broschüre „4. November ’89. Der Protest, die Menschen, die Reden.“ empfohlen.
Tja. Das war echte Aufbruchstimmung.
LikenLiken
Sehr sehr spannend deine schilderungen. Für mich. So als Neuberliner. Der 89 nals 12 jähriger vom bayerischen Fernsehen mitbekam. Lg Daniel
LikenLiken
Schön dieser Bericht von dir als Zeitzeugin.
LikenLiken
Mir kommt es vor wie gestern, mit leichtem Gänsehauteffekt.
LikenLiken
Wow, ihr seid auch dabei gewesen. Meine Hochachtung, denn leicht war sowas nicht, das ist mir klar.
Aber sie schreiben schon über den Reisegesetzentwurf. Immerhin….
LikenLiken
Wenn man wie Du live dabei war, ist die Erinnerung an diese Tage viel intensiver als bei uns reinen Fernsehzuschauern.
LikenLiken
Ich habe drei Kassetten von dieser Protestveranstaltung – aber ich habe sie schon ewig lange nicht mehr angehört.
LikenLiken
Das als Zeitzeuge hautnah zu erleben, ist mit Gold nicht aufzuwiegen. Eine Demo war ja damals etwas unerhört Neues und Aufregendes für die Leute …
LikenLiken
Das kann man ja nun gerade nicht sagen. Demonstrationen gab es ohne Ende… nur ging es meistens um etwas ganz anderes, und man musste hingehen (oder versteckte sich im Garten o.ä.).
LikenLiken
Stimmt. Das waren diejenigen im Mai und Oktober, um die man sich gerne drückte.
LikenLiken